Montag, 23. April 2012

Stillstand

„Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders“ Herbert Grönemeyer

„Wie könnte ich stehen bleiben als größter Fan des Fortschritts?“ Dendemann

Ich vermisse den Fortschritt. Der Mond sieht noch genauso aus wie in den 60er Jahren, Science Fiction Filme kündigen ausschließlich die Apokalypse an, die Mode will nicht sterben und dreht sich munter weiter im Kreis und daran dass das Hoverboard bis 2015 auf den Markt kommt, glaube ich schon lange nicht mehr. Stattdessen werden mir Telefone, aus denen eine Stimme erklingt, als revolutionär verkauft. Nein, auf den Fortschritt ist kein Verlass.

Zum Glück ist der Fortschritt nun nicht das Wichtigste, gerade wenn man bedenkt, was es schon alles gibt. Am Ende eines jeden Jahres, wenn ich die Dinge Revue passieren lasse, sei es unter Freunden oder auf Blogebene, komme ich auf einiges, das letztes Jahr noch nicht da war. Seien es Freundschaften, Musik, Interessen, Pläne, Eindrücke, Erkenntnisse, Autoren, Schriftsteller, Künstler, Berufe, Sprachen, Scheine an der Uni, ja, selbst Internetseiten. Ich sorge selbst für meinen persönlichen Fortschritt. Ganz ungezwungen, aus der Neugierde und dem Wissen heraus, dass das nicht alles gewesen sein kann.
Bevor ich etwas als langweilig, uninteressant oder gar als Zeitverschwendung abtue, muss ich mir erst hundertprozentig sicher sein. Die Frage, warum ist das den Aufwand nicht wert? muss beantwortet werden. Bevor das geschehen ist, ist erstmal alles interessant. Mit dem Leben im Rückstand ist derjenige, der sich nicht mehr einlässt.

Geprägt hat mich vor Jahren das Verhalten des Vaters einer Freundin. Er schaute im Fernsehen Indiana Jones und der letzte Kreuzzug und war zu recht völlig begeistert von dem Film. Er kannte ihn zuvor nicht. Das war nicht der eigentliche Skandal, viel schlimmer war, dass er auf meinen Hinweis, es gäbe noch zwei weitere Teile, mit völligem Desinteresse reagierte. Das war ihm absolut egal, er war zufrieden damit in jenem Augenblick diesen Film zusehen. Ich schätze, er hat sich nicht mal den Titel oder die Story gemerkt. Noch heute habe ich für so ein Verhalten kein Verständnis. Damals konnte eine derartige Lethargie meine kleine Welt gewaltig erschüttern. Schließlich rannte ich bei jedem guten, mir unbekannten Lied zum DJ und fragte ihn nach dem Interpreten oder wartete in Filmen auf den Abspann, um mir die Namen der Verantwortlichen zu merken.

Zum Stillstand kommt es früh genug. Irgendetwas macht dich fertig, lässt dich am Altbewährten festhalten, dich nur noch vergleichen und abwiegeln, bis du deinen Enthusiasmus verlierst und alles zur reinen, schnelllebigen Unterhaltung oder gar Arbeit verkommt, ohne etwas zu hinterlassen.
Oder dir gehen schlicht die Inspirationsquellen aus. Wen soll man fragen? Wo sich aufhalten? Was als nächstes lesen? Das was im nächsten Jahr auf dich wartet, kannst du bei Google nicht finden. Auch nicht auf gut Glück.
An der Musik lässt sich das Problem sehr gut festmachen. Natürlich gibt es da draußen tausende von mir unbekannte Songs, die mir gefallen, die es vielleicht in meine Top Ten schaffen würden. Ich weiß es, weil ich bereits welche davon gehört habe und mir nicht notieren konnte oder es mir in dem Moment einfach reichte sie zu hören. Das kann einen verrückt machen, gleichzeitig bleibt man aber auch aufmerksam. Andere Titel habe ich wiederum recherchiert und bin heute froh darüber, dass ich sie kenne.