Samstag, 24. September 2011

Samstag, 29. Mai 2010 - One Love Festival

Die Vorfreude ist groß. Der Stress zuvor auch, zumindest in meinen rastlosen Augen. Spontan wurden für mich zwei V.I.P. Tickets beim One Love Festival in Hannover hinterlegt. Eine feine Sache, nur müssen Judith und ich zusehen, wie wir unsere ordinären Eintrittskarten nun loswerden. Ob eine Aufwertung der Karten möglich ist, bleibt fraglich. Der Deal verlief bisher über das überschätzte Web 2.0, also zeitversetzt. Jede Anfrage setzt voraus, dass der Angeschriebene das Geschriebene rechtzeitig liest, versteht und darauf richtig antwortet. Handynummern wurden nicht ausgetauscht. Nicht besonders clever, aber ich gehe ja auch davon aus, dass meine Handynummer an jeder Bahnhofstoilette verewigt ist.

10:18 Uhr fährt mein Zug nach Hannover. Viel zu früh stehe ich im Bremer Bahnhof. Ich nutze gerne solche Gelegenheiten, um mich dort etwas umzusehen. Nicht die Geschäfte, sondern die Menschen interessieren mich dabei. Leider ist der Bremer Bahnhof im Verhältnis Stadt/Bahnhof einer der unattraktivsten Deutschlands. Es ist sehr eng und bietet kaum Gelegenheiten dem Treiben, von einem neutralen Beobachtungsposten aus, beizuwohnen. Man kann da nirgends gut sitzen und gaffen.

Auf gewisse Figuren ist in Bremen verlass. Da wäre zum einen Klaus – Bärbel, der androgyne St. Pauli Fan vom Bahnhofsplatz. Zum anderen der Marktschreier in Lederkluft auf dem Domshof, der Woche für Woche eloquent die Apokalypse ausruft und meine Favoritin, die etwas verlumpte, weißhaarige Frau mit der Turmfrisur und der Weinflasche in der Hand, ebenfalls immer in Bahnhofsnähe. Bei ihr kann ich mir nicht vorstellen, dass sie sich schon immer am Rand der Gesellschaft aufgehalten hat. Sie hat etwas skurril Anmutendes, Elegantes. Das kann an der Weinflasche liegen oder daran, dass sie die Fresse hält, ich weiß es nicht. Irgendwann gebe ich ihr mal eine Flasche Wein aus. Ich wette, dass sie sich mir mit Dina vorstellen wird. Ach ja, die Bremer Stadtmusikanten am Domshof gibt es auch noch.

Frühstück bei Burger King. Darauf freue ich mich schon den ganzen Tag, immerhin seit zwei Stunden. Es gibt in Bremen nur vier Burger Kings und am ehesten zu erreichen ist der im Bahnhof. Ein seltenes Vergnügen für mich.

Ich: „Hallo, ich hätte gerne zwei Cheesburger. 2 Euro, lege ich hier hin.“
Verkäuferin: „Die kosten jetzt aber 1,20 €.“

NEEEIIIIIINN!!

Ich: „Gibt es denn gar keine Neintineiners mehr?"
Vk: „Hamburger! Ey, am klügsten wäre es wenn du für 1,50 € einen Cheesburger mit Bacon nimmst. Cheesburger kostete früher 99 Cent und Bacon 50 Cent.“

Wenn man die Bedienung so reden hört, könnte man denken, das junge Mädchen hat richtig Lust darauf gerade hier zu sein. Zu recht und Preis/Leistungsmäßig Rumtaktieren ist eigentlich auch genau mein Ding, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Cheesburger mit Bacon schmecken soll.

Ich: „Zwei Hamburger.“

Die Sonne scheint und ich beschließe das erste Pils am Bahngleis zu trinken. Der Zug rollt. Ein. In Nienburg steigen Judith, Timo, Hendrik und Julian zu. In Hannover geht es mit dem Taxi zum Festival Gelände. Ich darf vorne sitzen. Aus Versehen entbrennt im Taxi eine heiße Diskussion über den schlimmen, schlimmen Kapitalismus und den anderen Sorgenkindern der westlichen Welt, wie zum Beispiel den Osten. Griechenland war der Auslöser. Der Taxifahrer ist voll bei der Sache, ob er vielleicht sogar ein Grieche ist? Wenigstens hat er selbstständig das Radio angemacht. Ich hätte mich in diesem Moment nicht getraut an den Drehknöpfen rumzuspielen. Aber NDR 1 aus dem Radio und Verschwörungstheorien aus dem Taxifahrer? da fällt es mir schwer irgendwo zuzuhören, besser mal aus dem Fenster schauen.

Das Festival ist bereits im Gange. Nicht im vollen Gange, lediglich ein paar No Names hüpfen unmotiviert auf der Bühne rum. Wir können tatsächlich problemlos unsere Tickets aufwerten lassen. Perfekt. We are V.I. -motherfucking- P. Baby. Freibier, Essen und das alles Backstage. Nur die Sonne scheint leider für jeden.

Zum ersten Mal sehe ich Olli Banjo live. Live Skills: klasse, aber warum nur eine gefühlte halbe Stunde? Denyo und Suave schaue ich mir Backstage an. Eine gute Gelegenheit Denyo zu fragen, ob in seinem Rucksack wirklich etwas drin ist, oder ob er das nur wegen des Backpacker Images macht. Ähnlich wie Kanye West in dem Dilated Peoples Video This Way. Seine Antwort: was?
Sowieso wirkte er ziemlich neben der Spur. Er grinste debil und machte HipHop Gesten für die Fotografierenden. Den habe ich schon mal fitter gesehen, das muss ausgerechnet ich sagen. Aber eben auch noch nie persönlich getroffen.


RA the Rugged Man ist ein Highlight, genau wie Sido. Es scheint so, als ob sich alle das Backpacker Image auf die Fahne geschrieben haben. Sido kam im Hoody und Baggy Pants und wurde von mir erst gar nicht erkannt, sah ich ihn doch erst letztens gestriegelt auf MTV.
RA the Rugged Man, der arrogante Sack, wollte mir, solange ich ihm nicht sein Album abkaufe, nur eine von zwei Wurstpappen unterschreiben. Man sieht sich immer zweimal im Leben und in Bremen sogar öfters. Junge. Die Atzen füllen das Bühnenbild mit Menschen auf und springen vergnügt umher. Da musst du echt Lust zu haben, sonst gibt einem das nichts.

RA the rugged Man

Olli Banjo

die Atzen

Bis zum Zug zurück nach Bremen fehlen mir ein paar Minuten. Den Fotos zufolge, waren wir noch In-Door und sind dort abgehottet. Okay, mag stimmen.
Es ist ein netter Zufall, dass in Hannover gerade wieder Vorausscheidungen für die Feuerwerks WM stattfinden.


In Eystrup steigen Patrick und Konsorten dazu. Sie wollen nach Bremen in den NFF Club. Ich komme spontan mit. Danach noch Tower.

Türsteher: „Ihr kommt hier nicht mehr rein.“
Ich: „Wieso das denn bitte?“
Ts: „Ihr seid zu besoffen!“
Ich: „Na, könnte denn ein Besoffener sich noch so klar artikulieren?“
Ts: „Was?“
Ich: „Artikulieren!“
Ts: „Na gut, kommt rein.“

Was war das denn eben? Ich meine nicht die Inkonsequenz des Türstehers, sondern meine sprachliche Meisterleistung. Ich war so muff, die hätten mich in keine Ausnüchterungszelle mehr reingelassen. Selbst Schuld.

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