Donnerstag, 17. Juli 2008

1000 Fragen

"No Questions, Please - Bitte nicht quetschen" Otto Waalkes

„1000 Fragen über Fragen, Fragen, doch die Lösung ist das nicht“ J-Luv

Wenn fragen etwas kosten würde, dann wäre ich reich.
Am Tag werden mir hunderte von Fragen gestellt. Es sind nie gute Fragen dabei, also Fragen über die man nachdenken müsste, Fragen, bei denen man sich fragt: „wieso habe ich mir das selber noch nie gefragt?“ Viele Fragen sind rhetorischer Natur, also überflüssig. Selbst wenn man diese Fragen provokativ so dermaßen falsch beantwortet, merken die Fragensteller gar nicht wie dämlich dieses Stilmittel von ihnen ist. „Wie geht es Dir?“ Ist mindestens so ernst gemeint wie eine Flasche Strothmann Weizen Korn als Geburtstagsgeschenk. Wenn man aber auf diese Frage nach dem Wohlbefinden mit „Total beschissen, vor mir tut sich die Hölle auf“ antwortet, kann man richtig die ansteigende Panik in den Augen seines Gegenübers erkennen - Der will mir doch jetzt nicht wirklich ein Gespräch aufdrängen und dann noch ein so ernstes…? steht da in den Augen. Es gibt Eisbrecher Fragen, die sich vom Inhalt her selbst beantworten, trotzdem fällt meine Antwort so dermaßen überschwänglich, übertrieben interessiert aus, als arbeitete ich bei der Kundenbetreuung eines Koks Barons.
Der fragt nie wieder nach der Uhrzeit.

Die fünf W-Fragen höre ich jeden Tag mehrmals. Nicht W für Weltfragen, sondern Wo, Wann, Wieso, Weshalb, Warum wer nicht fragt bleibt zwar dumm, ist mir aber tendenziell sympathischer. Wo willst du hin? Und warum? Und wann kommst du wieder? Und was willst du denn hier? Es kann unmöglich daran liegen, dass ich zuwenig von mir erzähle.

Ich werde ständig irgendeinen Quatsch gefragt und oft sind das Fragen nach meiner Meinung. Dabei habe ich immer die juristische Belehrung im Hinterkopf: Alles was sie sagen kann und WIRD gegen sie verwendet werden. Wie bei einem Verhör. Bei so einem Kreuzverhör, welches mein Alltag ist, kommt man schnell auf die Idee sich was zu recht zu lügen. Beängstigend wie diese Übertreibungen ihre Kreise ziehen. In die kleinste Ecke gelangt das. Nervösere Menschen könnten da schnell paranoid werden. Wie Wiglaf Droste schon auf Götz Alsmanns Ausspruch „Das ist ja eine unglaubliche Geschichte“, mit „Viel unglaublicher ist, dass es Menschen gibt, die das glauben“ entgegnete.

Natürlich gibt es auch alltagstaugliche Fragen und es kommt sogar mal vor, dass ich sie beantworten darf. Gute Konversation ist das stellen der richtigen Fragen. Wer sagte das noch mal? Fragen, die das Interesse an seinem Gegenüber durchschimmern lassen. Simpel aber effektiv sind: „Was hast Du heute vor?“; „Woran denkst du gerade?“; „Hast Du auch so einen Durst?“ Diese Fragen wären dann auch kostenlos, alles andere kostet ab jetzt einen Euro. Ob nun 1.000.000 nervige Fragen oder 15 richtige Antworten sind angesichts der Million dann auch egal.

Die häufigste Frage lautet übrigens: Hä?

Mittwoch, 16. Juli 2008

Schnapsöl

„Ich war immer nur der stärkste in der Schule“ Klaus Vogel

„Now throw your hands in the air
And wave 'em like you just don't care” Outkast

“Der schlechteste Abi-Schnitt bringt die Party mit und führt alle auf das Glatteis wie Kati Witt” Dendemann

Mit der Schule hatte ich nie sonderlich Probleme. Okey, zugegeben, ich habe mich den ganz großen Herausforderungen auch nicht immer gestellt. Ich saß rum, habe auf Stichwörter für meine halbwegs qualifizierten Zwischenrufer geachtet und habe geschmollt, wenn jemand schneller war als ich. Was dank jahrelanger Übung sehr selten vorkam. Schriftlich hatte ich halt so meine Stärken und Schwächen. Wie wohl jeder. Der Schlüssel zu guten Noten war damals „die mündliche Beteiligung“. Es gab Lehrer, die haben die aktive Unterrichtsbeteiligung tatsächlich zu 50 oder mehr Prozent in ihre Bewertung mit einfließen lassen. Wie Naiv. Konzentriert an die Tafel starren kann schließlich jeder und wie man so viele „Melder“ wie möglich auf seine Habenseite verbuchte, hatte man auch schnell raus.

Für alle jüngeren, die das hier lesen und die Schulbank drücken dürfen: Der Melde Guide!
Grundsätzlich sollte man sich auch immer melden wenn man schon etwas weiß. Soviel zum Handwerk, die Kunst ist es sich zu melden, wenn man nichts weiß.

  • Wenn eine Frage gestellt wird, die mehrere Antwortmöglichkeit bietet, nervige Aufzählungen oder so, dann sollte man zusehen, dass man als erstes drankommt. Die häufig lasche Einstellung der meisten Mitschüler hilft dabei. War man einmal dran, wird sich zwecks Nennung einer weiteren alternativ Antwort gemeldet. Diesmal nur etwas aufdringlicher, aufgestützt oder schnippend. Das wird nicht gerne gesehen und disqualifiziert Dich für eine weitere Antwort. Wichtig ist, dass sich mindestens ein weiterer, noch nicht drangenommener Mitschüler, ebenfalls meldet. Die angelernte Gleichberechtigung der Lehrer verbietet es ihnen Dich wieder zu nehmen, bevor nicht andere ihre Chance erhielten. Im Hinterkopf bleiben aber deine „Bemühungen“.
  • Bei Fifty / Fifty Antworten, Ja / Nein Fragen immer melden, auch bei völliger Ahnungslosigkeit. Sollte man drankommen, ist es wichtig total seriös, ruhig und selbstsicher zu antworten. Es darf sich nicht wie eine Entscheidung anhören. Ist die Antwort richtig, heimlich feiern. Ist die Antwort falsch: skeptisch gucken. Fifty / Fifty Fragen sind Geschenke. Man muss nur mitzählen, wie oft man bei welchem Lehrer bereits falsch lag.
  • Bei leichten Fragen, bei denen sich eh mehrere melden, schon alleine um sich nicht zu blamieren, sich ruhig schön nervig anbiedern. „Nehmen sie mich! Ich weiß alles, ich bin sooo klug!“ Für diese Nummer wird man nie aufgerufen, aber es wertet die Leistung der anderen ab. Der Lehrer kann ja selber einschätzen wie schwierig die Frage war.
  • Das Gegenteil sind die Monsterfragen, bei denen, wenn überhaupt, die Finger sehr langsam hochgehen. Sollte man die Antwort wissen, nicht melden, sondern ganz lässig ausplaudern. Reaktion vom Lehrer: richtig, wäre aber schön gewesen, wenn Du Dich auch gemeldet hättest. Wenn man so etwas schon weiß, dann sollte man sich auch zu cool zum melden fühlen. Lenkt außerdem vom Streberimage ab. Die Pluspunkte bekommt man eh, dafür ist der Lehrer zu sehr Profi.
  • Akustisches Melden    kam irgendwann so in der 10. Klasse bei mir auf. Man macht das Geräusch eines Buzzers nach oder das eines Tieres. So wie man das von Otto Waalkes kennt, wenn er eine Rufumleitung oder ähnliches simuliert. Es hat sich leider nicht durchgesetzt. Ebenfalls nicht durchgesetzt hat es sich, den Tischnachbarn zu kneifen, dieser ruft „Aua“, der Lehrer schaut, sagt deinen Namen und du beantwortest schnell die Frage. Genial sollte man meinen, wurde aber irgendwie oft fehlinterpretiert.
  • Im Studium wird Lehrern erzählt, die Schüler sollten die Antworten selber erarbeiten, also raten bis es stimmt. Egal ob man sich sicher ist oder nicht, hier ist wichtig irgendetwas rein zu rufen, damit der eh schon langweilige Unterricht nicht, wie NEO im minder langweiligen Film Matrix 3, in einem Zeittunnel stecken bleibt. Schnellraterunde heißt das auf   9Live. Der Scheiß nimmt kein Ende, bevor nicht die richtige Antwort genannt wurde.
  • Manchmal wollen Lehrer einem Schüler mit besonders niedrigen oder hohen Zahle Schocken. Sie stellen eine rhetorische Frage, was man denn annehme wie viel oder wie wenig etwas sei. Man kann ja ungefähr einschätzen in welcher Dimension sich die Antwort abspielt und übertreibt völlig, indem man diese mal 1000 nimmt.
Frage: „Was meint ihr denn, wie viel CO2 der Deutsche im Jahr produziert?“ (ca. 10 Tonnen)
Antwort [exorbitant enthusiastisch]: „Zehntausend Tonnen!
Nach der Korrektur durch den Lehrer ein enttäuschtes „tzz“ von sich geben.
Die überdimensional falsche Zahl hat den Reiz schon vorweggenommen, der geplante „Uih-Effekt“ bleibt aus. Was das bringen soll weiß ich nicht, mich hat es aber immer beruhigt, wenn der Lehrer wusste, dass ich ihn nicht ernst nehme.
Epilog

Diese Tipps verbessern die mündliche Beteiligung locker um eine Note und wenn nicht, dann bleiben ja noch das Hausaufgabenheft und die Mappenführung. Anstatt farblich abgestimmter Mappen aus umweltfreundlicher Pappe, hatte ich immer nur einen einzigen voll geschriebenen College Block. Einen Block für alle Fächer sozusagen und Lee Majors sang die Titelmelodie. Nicht. Die Seiten blieben schön im Ringordner. Waren die ersten 80 Blatt voll gemaltschrieben, wurden sich neue Blätter, unter Androhung dies sei jetzt aber wirklich das aller letzte Blatt das man sich leihen könnte, geschnorrt. Hier konnte ich endlich mit den Tiergeräuschen trumpfen. Hieß es dann bei der Mappenabgabe: „Gebt bitte die Mappen ab.“, habe ich mit Edding (war damals zurecht im Unterricht wegen Schnüffellei verboten) auf den überquellenden Block fett DIE MAPPEN geschrieben. Das wurde sogar stellenweise akzeptiert! Schließlich war ich so gut im Mündlichen, dass die Mappen eh nicht mehr ins Gewicht fielen. Dort wo das nicht der Fall war, hat das einzig attraktive Mädchen in der Klasse, die dazu noch gleichzeitig meine Tischnachbarin war, die Zettel nach Unterrichtsfächern sortiert und in meine leeren, echten Mappen weggeheftet! No Cadillac, no perms, you can't see, that I'm a motherfucking P-I-M-P.

Dienstag, 8. Juli 2008

Kraft mal Weg

"Ich guck noch mal in die Flasche wie spät das ist" Brösel

"Wenn Arbeit hier nicht Kraft mal Weg ist, widerleg es!
Denn als nächstes bewege ich Träges als wäre es Tetris" Aphroe

Im Oktober und November 2007 habe ich die Gelegenheit bekommen ein wenig Geld zu verdienen. Endlich wieder. Ausgemalt habe ich es mir schon... ich betrete die Bank und knall ein Bündel Scheine auf den Tresen. Daraus wurde zwar eher eine heimliche Überweisung vom Automaten aus, dennoch wurde ein Kasten Bier gekauft und angestoßen. Die Zahlungsmoral war gut und überschau - Bar. Schuldenfrei und Spaß dabei, trotzdem hatte ich daraufhin kein Geld zur Verfügung. Auch die Hoffnung, das Verschwinden des Solls schlägt sich positiv auf meine Gefühlslage nieder trat nicht ein. Ich habe wahrscheinlich nicht fest genug daran geglaubt.
Ich war Handlanger / Gerüstkellner und (Achtung Wortspiel) Bewehrungshelfer auf einem Bau. Einfamilienhaus. Wer jetzt schlimme Wortspiele erwartet (s.o) ist hier an der falschen Adresse. Wortspiele wie Mörtel Kombat oder Kalk Fiction sind gemeint. Ich arbeitete mit den Maurern zusammen. Nee, ich arbeitete für die Maurer. Maurer sind die Diven des Baus. Alles muss denen in die Hand gelegt werden. Nur das Bier holen sie sich hin und wieder selber. Ich brauchte nie auf die Uhr zu schauen, ich machte anhand der verbleibenden Bierflaschen im Kasten klar, wie lange noch gearbeitet wurde. Schön Kasten Herforder Handgranaten 27 Flaschen. Früher 30 Flaschen. Früher hätte ich länger arbeiten müssen. Ich selber trank nichts. Bei dem Tempo in den frühen Morgenstunden hätten die mich am Feierabend jedes Mal aus der Regenwassertonne fischen können. Der 11 Uhr Zug war mir ja bekannt, aber die eindutzend Sonderfahrten waren mir neu. Jedes Mal, wenn der Bauherr vorbeischaute, wurde der Ton etwas schärfer und man sollte plötzlich drei Dinge auf einmal erledigen, unter anderem die leeren Bierflachen einsammeln und verstecken. Dabei kam mir der Herr Bauherr überhaupt nicht streng oder wie ein Lehrer vor, eher sehr unentschlossen und unstetig. Ständig mussten Änderungen vorgenommen werden.
Alles hier, außer mir, hatte einen Kosenamen bekommen. Die große Steinsäge hieß zum Beispiel: „das Moped" und der Bolzenschneider hieß: „Mattenschere". Ich habe mir nicht alles merken können, aber Mörtel hieß jedenfalls: „Mucks".

- „Ma`ma Mucks!" hörte ich oft.

Egal voran ich drehte oder rüttelte, irgendwer drehte und rüttelte ein zweites Mal daran und sagte: „SO!" Das machte wenig Spaß. In den Pausen wurden Geschichten vom Bau erzählt. Von spektakulären Unfällen und unangekündigten Kontrollen vom zuständigen Amt war da die Rede. Es erinnerte stark an den Film „Was nicht passt, wird passend gemacht".
Ansonsten lallten (die Maurer), nuschelten (ich) wir herum und der Mischer knatterte so laut, dass ich mich nicht mehr denken hören konnte. Trotzdem verstanden sich alle offensichtlich prima.

- „Kannst... rüttel, schramm ...von draußen... Schepper, Schepper ...schnell holen?"
- „Yo!"

Ich hatte Blasen an den Füßen. Ich sollte öfters privat meine Arbeitsschuhe tragen und Frühaufstehen üben. Aber das Wetter war toll. Goldener Oktober

kaputt malocht

Die fünf wichtigsten Benimmregeln auf dem Bau:

- Nirgends anlehnen
- Mit einem gepressten „YO" antworten. Das klingt immer schwer beschäftigt.
- Hölzer, besser noch Metall, immer knallen oder scheppern lassen. Das klingt noch mehr nach Beschäftigung.
- Mittrinken
- Imperativ